Mittwoch, 27. September 2017

Eine ungewöhnliche Totgeburt

In den Wertheraner Sterberegistern des Jahres 1926 findet sich ein relativ merkwürdiger Eintrag:

"ein totes Kind, dessen vorherrschendes Geschlecht nicht festgestellt werden konnte"

Ich dachte zuerst, ich hätte mich verlesen. Hatte ich aber nicht. Aber dieser Eintrag gibt mir doch zu denken - wie kann das sein?



Die erste Möglichkeit wäre, dass es sich um ein Frühchen handelte. Das ist aber eher unwahrscheinlich, denn die äußeren Geschlechtsmerkmale lassen sich beim Fötus schon ab der 15. Schwangerschaftswoche erkennen, wie mir Wikipedia erklärt. Also noch vor dem Zeitpunkt, in dem eine Mutter die Bewegungen ihres Kindes spüren kann (Quelle: Wieder Wikipdia. Da kann ich nicht aus eigener Erfahrung sprechen). Das Kind müsste also noch vor der 15. Schwangerschaftswoche zur Welt gekommen sein.

Gegen diese Theorie spricht auch, dass erst seit ein paar Jahren totgeborene Kinder mit einem Gewicht unter 500 Gramm überhaupt ins Personenstandsregister eingetragen werden können. Seinerzeit galt zwar noch das "Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstands und die Eheschließung" von 1875 fort, aber auch da findet sich keine Regelung darüber, was denn nun genau unter dem Begriff "Geburt" zu verstehen ist. Fielen Frühgeburten auch darunter? Gab es damals auch Verwaltungsvorschriften, die so etwas geregelt hätten?

Noch ein Punkt spricht gegen die Frühchen-Theorie: Das Kind kam im Krankenhaus zur Welt. Wenn es sich um tatsächlich um eine Frühgeburt in einem so frühen Stadium handelte, dann wäre sie wahrscheinlich eher zu Hause passiert als im Krankenhaus.

Die zweite Möglichkeit: Das Kind hatte sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsmerkmale. 
Das ist die Theorie, die ich für plausibel halte. Damals hätte man wohl von "missgebildet" oder "Zwitter" gesprochen, heute heißt es ganz neutral "intersexuell". Intersexualität kommt übrigens öfter vor, als man meinen sollte; Schätzungen gehen in Deutschland von 0,1 % bis 0,2 % der Bevölkerung aus (genaue Zahlen gibt es wohl nicht). Demnach wäre ungefähr jeder Tausendste oder sogar jeder Fünfhundertste betroffen. Intersexualität muss auch nicht schon bei der Geburt auffallen, denn es gibt durchaus zum Beispiel Kinder, die mit eindeutig männlichen Geschlechtsteilen geboren werden, aber trotzdem auch Eierstöcke besitzen.

Ich nehme also an, dass man bei dem kleinen Würmchen hier auf den ersten Blick sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsteile erkennen konnte. Anders kann ich mir den Eintrag nicht wirklich erklären. Falls jemand eine andere Erklärung hat, dann kann er/sie auch gerne einen Kommentar hinterlassen.

Ach ja, eine Sache noch:

Normalerweise erwähne ich in meinen Posts hier ja auch immer die Personalien der Betroffenen. In diesem Fall hier kenne ich sie natürlich auch, verzichte aber darauf, sie hier öffentlich zu machen, und zwar aus einem ganz logischen Grund: Dieses Kind wurde 1926 geboren; es kann also durchaus sein, dass es noch jüngere Geschwister hat, die noch am Leben sind. Deshalb: Wer wissen will, um welche Familie es hier geht, der kann ja ganz einfach selbst nachgucken...

Mittwoch, 20. September 2017

Wir haben mal wieder die Wahl

... im Gegensatz zu vielen unserer Vorfahren! Wenn wir also am Sonntag unseren Umschlag in die Wahlurne werfen, um über die Zusammensetzung unseres Parlamentes zu bestimmen, dann ist das ein Moment, in dem wir etwas tun, das die meisten unserer Vorfahren sicherlich sehr gerne getan hätten.

(Für mich ist das schon Grund genug, tatsächlich meine Stimme abzugeben, obwohl ich auch diejenigen verstehe, die zum Beispiel den Wahlzettel großzügig durchstreichen und "alle nicht wählbar!" oder ähnliches draufschreiben. Mein Verständnis endet aber bei denen, die überhaupt nicht vom Sofa hochkommen und sich dann hinterher beschweren, dass sie ja keiner gefragt habe...)

Für uns Familienforscher ist das eine Gelegenheit, um mal kurz inne zu halten und sich zu fragen, ob wir denn wissen, was unsere Vorfahren denn so gewählt haben. Oder haben sie sich vielleicht sogar wählen lassen? Gehörten sie einer Partei an (die Frage der Parteizugehörigkeit sollte sich schließlich nicht auf die NSDAP beschränken)? Oder einer parteinahen Organisation (ich denke da zum Beispiel an Arbeitervereine)? Oder schwangen sie gerne Stammtischreden?

Ich gebe zu, dass es schwierig ist, hier Quellen zu finden, um die Annahmen, von denen wir vielleicht ausgehen, belegen zu können. Ganz unmöglich ist es aber nicht. Ich denke da zum Beispiel an Tagebücher, in denen jemand entweder seine eigene politische Haltung festgehalten oder die eines anderen kommentiert hat (à la "Vater hat mal wieder die KP gewählt, so wie immer"). Oder an Mitgliederlisten von Ortsvereinen.

Wer weiß, was da nicht noch alles in Archiven schlummert?

Frage an alle: Welche Erfahrungen habt Ihr schon mit solchen Quellen gemacht? Wo findet man was? 

Dienstag, 19. September 2017

Asche auf mein Haupt!

Mir ist gerade aufgefallen, dass ich hier seit beinahe zwei Monaten nichts mehr gepostet habe.

Könnte auch daran liegen, dass ich zwischendurch im Urlaub war, und zwar hier: 


Am Beech Hill Pond in Maine!

Es ist aber nicht so, dass wir die ganze Zeit nur am See herumgelungert hätten - in Maine gibt es auch das hier: 

Unser Besuch galt aber (leider?) nicht dem Maine State Archive, sondern dem Maine State Museum. Für alle, die mal zufällig nach Augusta kommen: Das Museum ist wirklich gut! Ich war in den letzten 22 Jahren drei Mal dort, und ich würde es mir (in ein paar Jahren) auch noch ein viertes Mal angucken!

Soviel also zur kreativen Pause. Die hatte ich auch dringend nötig... ;-) Aber jetzt wird man hier wieder öfter von mir hören!