Samstag, 9. Dezember 2017

Schwarze Schafe: Die Hinrichtung des Daniel Philipp Gehring

Ja, die Wertheraner Gehrings waren nicht durchgängig respektable Leute... es gab auch ein richtig schwarzes Schaf darunter: Daniel Philipp Gehring, Räuberhauptmann und Ausbrecherkönig. So nennt ihn jedenfalls Dr. Jochen Rath in seinem Artikel, den er auf den Seiten des Bielefelder Stadtarchivs eingestellt hat (hier ist der Link).


Daniel Philipp Gehring wurde am 6. Dezember 1782 auf der Bielefelder Galgenheide durch den Strang hingerichtet. Er war damit, nach den Rennebaum-Brüdern, nach meiner Kenntnis der dritte Wertheraner, der in Bielefeld exekutiert wurde.

Dieser Herr Gehring gehört zwar nicht zu meinen direkten Vorfahren, und ich arbeite auch noch daran, diese Gehring-Familie zu erforschen (wie schon öfter mal erwähnt: Werther wimmelte nur so von Gehrings). Vielleicht kann ich ihn ja eines schönen Tages noch mit meinem Stammbaum verknüpfen, wer weiß? Die Geschichten von den schwarzen Schafen im Stammbaum sind ja eigentlich immer noch die interessantesten...

Samstag, 11. November 2017

1. Weltkrieg: Kriegsteilnehmer aus Arrode

Heute vor 99 Jahren war der erste große Schrecken des letzten Jahrhunderts also vorbei: Der 1. Weltkrieg. Für mich ein Grund, mal wieder die Namen einiger Wertheraner Kriegsteilnehmer zu posten, dieses Mal aus dem Ortsteil Arrode.


(aus: "Das Kirchspiel Werther und der Krieg von 1914-18")
Nachname, Rufname, Beruf, Hausnummer, Dienstzeit, Dienstgrad 
Anführungsstriche (") kennzeichen Brüder.)

Beckmann, Gustav, Landwirt, Nr. 26, 1916-1918, Landsturm

Bergmann, Wilhelm, Arbeiter, Nr. 41, 1915-1920, Landsturm

Blase, Gustav, Zigarrenarbeiter, Nr. 5, 1914-1918, Sergeant

Bleikamp, Wilhelm, Arbeiter, Nr. 27, 1914-1918, Fahrer

Bleikamp, Wilhelm, Uhrmacher, Nr. 22, 1916-1918 (gefallen), Musketier

Böckstiegel, Peter August, Kunstmaler, Nr. 4, 1915-1919, Schütze

Brockmann, Heinrich, Maurer, Nr. 57, 1916-1918, Landsturm

Brünger, Heinrich, Zimmermann, Nr. 28, 1915-1928, Flieger

Bültmann, Gustav, Maurermeister, Nr. 33, 1914-1918, Sergeant

", Florenz, Ziegeleiverwalter, Nr. 33, 1915 (gefallen), Landsturm

", Julius, Kassengehilfe, Nr. 33, 1915-1918, Musketier

", Waldemar, Banklehrling, Nr. 33, 1918-1919, Musketier

Deuker, Hermann, Müller, Nr. 2a, 1916-1918, Landsturm

Dissmann, Friedrich, Bahnarbeiter, Nr. 37, 1914-1918, San.-Serg.

Esselmann, Heinrich, Fabrikarbeiter, Nr. 8, 1915-1918, Fahrer

Gaesing, Heinrich, Hammerschmied, Nr. 47, 1915-1918, Musketier 

Giesselmann, August, Landwirt, Nr. 12, 1917-1918 (gefallen), Fahrer

Guntenhöner, August, Schneider, Nr. 9, 1917-1919, Pionier

", Hermann, Landwirt, Nr. 9, 1915-1918, Musketier

Heidemann, Gustav, Maurer, Nr. 31, 1914-1918, Unteroffizier 

", August, Schneidermeister, Nr. 32, 1914-1918, Unteroffizier

Horstkotte, Heinrich, Kinstenmacher, Nr. 41, 1915-1918 (gefallen), Arm.-Sold.

Husemann, Gustav, Fabrikarbeiter, Nr. 26, 1914-1918, Gefreiter

Imrecke, Wilhelm, Arbeiter, Nr. 28, 1914-1918, Fahrer

Kerksiek, Wilhelm, Arbeiter, Nr. 26, 1914 (gefallen), Wehrmann

Kirchhoff, Gustav, Schneider, Nr. 48, 1914-1918, Fahrer

" , Karl, Schneider, Nr. 48, 1915-1918, Gefreiter

", Wilhelm, Schuhmacher, Nr. 48, 1916-1919, Musketier

Künstler, Gustav, Schlosser, Nr. 12, 1914-1915 (gefallen), Musketier

", Emil, Schlosser, Nr. 12, 1917-1919, Gefreiter

Landwehr, Heinrich, Fabrikarbeiter, Nr. 42, 1914-1918, Sergeant

Landwehr, Karl, Zigarrenfabrikant, Nr. 49, 1914-1915, Landwehrmann

Lees, August, Maler, Nr. 47, 1915-1918, Flieger

Leweke, Adolf, Zuschneider, Nr. 41, 1914-1918, Kanonier

Marx, Hugo, Arzt, Nr. 19, 1914-1915 (gefallen), Batl.-Arzt

Möller, August, Landwirt, Nr. 6, 1915-1916, Gefreiter

Niemann, Heinrich, Fuhrknecht, Nr. 4a, 1914-1917 (gefallen), Grenadier

", Georg, Arbeiter, Nr. 4a, 1914-1919, Grenadier

Niemann, Gustav, Schneider, Nr. 4a, 1916-1919, Kanonier

Oberwittler, Wilhelm, Neubauer, Nr. 3a, 1914-1918, Wehrmann

Redeker, Heinrich, Maurer, Nr. 52, 1914-1918 (gefallen), Feldwebel

Redeker, August, Landwirt, Nr. 6a, 1914-1918, Gefreiter

", Gustav, Landwirt, Nr. 6a, 1915-1917 (gefallen), Musketier

Reiking, Heinrich, Landwirt, Nr. 23, 1915-1919, Rekrut

Röper, Hermann, Landwirt, Nr. 16, 1914-1918, Vizefeldwebel

", Heinrich, Eisenbahnbeamter, Nr. 16, 1914-1918, Oberm.-Maat

Schäffer, Heinrich, Matrose, Nr. 44, 1914-1915 (gefallen), Matrose

", Wilhelm, Maurer, Nr. 44, 1915-1920, Musketier

", Theodor, Tischler, Nr. 44, 1916-? (vermisst), Musketier

Schröder, Wilhelm, Müller, Nr. 2, 1916-1918 (gefallen), Grenadier

Spengemann, Heinrich, Landwirt, Nr. 38, 1915-1918, Landsturm

", Wilhelm, Landwirt, Nr. 38, 1915-1917 (gefallen), Grenadier

Stute, Heinrich, Landwirt, Nr. 12, 1916-1918, Musketier

Sussiek, Eduard, Landwirt, Nr. 5, 1915-1918, Trainsoldat

Sussiek, Heinrich, Maurer, Nr. 43, 1914-1919, Gefreiter

Tebbe, Heinrich, Fabrikarbeiter, Nr. 40, 1914-1917, Landwehrmann

Thorlümke, Heinrich, Arbeiter, Nr. 15, 1917-1919, Musketier 

Tubbesing, Heinrich, Müller und Händler, Nr. 7, 1914 (gefallen), Landwehrmann/Reservist

", Wilhelm, Arbeiter, Nr. 7, 1914-1919, Beamt-St.

Uffmann, August, Zigarrensortierer, Nr. 46, 1915-1918, Grenadier

", August, Installateur, Nr. 45, 1914-1918, Musketier

Vogel, Hermann, Schuhmacher, Nr. 27, 1916-1918, Schütze

Vollmer, Wilhelm, Lehrer, Nr. 21, 1914-1918, Vizefeldwebel

", Heinrich, Tischlermeister, Nr. 21, 1915-1917, Pionier

", Hermann, Kaufmann, Nr. 21, 1916-1918, Grenadier

Wiegmann, Ewald, Kutscher, Nr. 15, 1917-1920, Musketier

", Heinrich, Kutscher, Nr. 15, 1914-1918, Pionier

", Gustav, Maurer, Nr. 15, 1916-1919, Unteroffizier

Wittenberg, Heinrich, Maurer, Nr. 51, 1917-1918, Landwehrmann

Wulfmeier, Peter, Bahnarbeiter, Nr. 7, 1914-1917, Landsturm

Das sind, in leicht modifizierter Form, die Angaben, die sich im Anhang des oben genannten Buches finden lassen. Modifiziert deshalb, weil ich zwei Arroder gefunden haben, die in ebenjenem Anhang gleich doppelt auftauchten. Entweder hatte der ursprüngliche Ersteller dieser Aufstellung ein paar Konzentrationsprobleme, oder aber man hat es mit der Genauigkeit eben nicht so genau genommen, was natürlich einen unschönen Schatten auf das gesamte Buch werfen würde... für die Richtigkeit übernehme ich also keine Gewähr.

Sonntag, 29. Oktober 2017

Die Verknüpfungslust des Genealogen

Im Moment schlafe ich jeden Abend über einer neuen Biografie ein, die jemand namens Frank Schäfer über Henry David Thoreau geschrieben hat und die ich hier in Halle in der Bücherei gefunden habe. Normalerweise halte ich ja einen gewissen Abstand, wenn ein Deutscher meint, einen Amerikaner analysieren zu können, aber hier hat immerhin der Suhrkamp-Verlag sein Geld investiert, so dass ich dachte, es könne ja nicht schaden, wenigstens mal ins Buch hineinzuschauen - zumal es mich nichts kostet. Bei Biografien ist es ja Standard, auch ein paar Worte über die Vorfahren, zumindest aber über die Eltern des zu Biografierenden, zu verlieren. Das macht Herr Schäfer auch: 200 Jahre werden auf einer knappen Seite (nämlich auf Seite 23 von 242) abgehandelt.

Auf dieser einen Seite bin ich über einen Satz gestolpert:

"Man muss bei genealogischen Kausalzusammenhängen vorsichtig sein - sie beweisen ja vor allem die Verknüpfungslust des Interpreten -, aber es ist doch zumindest bemerkenswert, dass einige der charakteristischen Merkmale Thoreaus (...) auf die eine oder andere Weise in seiner Ahnenreihe bereits präfiguriert zu sein scheinen." 

Ich war baff: Ich wusste noch gar nicht, dass es genealogische Kausalzusammenhänge gibt! Ich dachte immer nur, es gibt entweder Kausalzusammenhänge oder aber es gibt keine, und jetzt auch noch genealogische! Wieder was gelernt!

Und mal ganz abgesehen davon: Nur weil ein Ereignis ohne ein anderes, zeitlich davor liegendes, nicht eingetreten wäre, bedeutet das noch lange nicht, dass dieses Ereignis komplett davon abhängt. Wenn man so will: Es kann immer gut sein, dass einem das Leben dazwischen kommt. Im Herbst 1993 durfte ich mich ausführlich während meiner ersten Strafrechtsvorlesung mit dieser Thematik auseinander setzen. Ich bin also darauf getrimmt, mich mit Ursache und Wirkung zu beschäftigen. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb mir diese sprachliche Ungenauigkeit so dermaßen auf die Nerven gegangen ist, dass ich mich sogar hier darüber auslasse.

Der zweite Punkt, und wahrscheinlich auch der wichtigere, ist doch, dass der liebe Herr Schäfer uns Forschern hier eine gewisse "Wird-schon-so-sein"-Mentalität unterstellt. Und das ärgert mich!

Bei einigen, die nicht sauber arbeiten, dürfte Herr Schäfer durchaus richtig liegen. Das bedeutet aber nicht, dass man hier so verallgemeinern darf. Ich für meinen Fall hoffe jedenfalls inständig, dass ich Zusammenhänge, die ich nicht beweisen kann, aber für durchaus möglich halte, als These kenntlich mache. Und dass ich niemals Fakten übersehen werde, die gegen die Wahrheit dieser jeweiligen These sprechen.

Im Grunde sollte man diesen einen Satz aber auch nicht zu ernst nehmen: Wenn man ihn nämlich bis zu Ende liest, dann merkt man, dass sein Verfasser hier seiner eigenen Verknüpfungslust nicht widerstehen konnte. Ich glaube jedenfalls nicht, dass die Tatsache, dass Thoreaus Vorfahren im Jahr 1685 als Hugenotten aus Frankreich vertrieben worden waren, etwas mit seinem betriebswirtschaftlichen Desinteresse, mit seinem Hang, sich in seinen Texten zu verfransen und seiner Tendenz, die Überarbeitung seiner Essays teilweise um Jahre aufzuschieben, zu tun hat...

Inzwischen habe ich etwas mehr als die Hälfte des Buches geschafft und bin schon ungefähr zehn Mal darüber eingeschlafen. Ich weiß noch nicht, ob ich es zu Ende bringen werde; wahrscheinlich werde ich anfangen, querzulesen. Das liegt aber nicht nur daran, dass Herr Schäfer meint, seine Ausführungen immer wieder durch den Gebrauch von den Textfluss erheblich störenden Fremdwörtern aufwerten zu müssen (das "präfiguriert" im Zitat oben ist ein schönes Beispiel dafür).  Mich stört eher, dass nichts durch Quellen untermauert wird und im Anhang auch nur ein paar Gesamtdarstellungen als Sekundärliteratur angeboten werden).

Mir fehlt da einfach was... wahrscheinlich werde ich mir heute Abend also mal wieder Thoreau selbst schnappen. Über "Walden" bin ich nämlich auch schon einige Male ins Land der Träume herübergeschlummert...!




Samstag, 21. Oktober 2017

Familienforschung und Patchworkfamilien

Wenn wir mal etwas genauer darüber nachdenken, dann sind Patchworkfamilien keine Erfindung der letzten paar Jahre - es ist nur so, dass wir erst seit ein paar Jahrzehnten einen Namen dafür gefunden haben. 

Gehen wir doch einfach mal in Gedanken 200 Jahre zurück. Eine "normale" Familie. Vater, Mutter, Kinder. Nehmen wir an, die Mutter stirbt bei der Geburt ihres fünften Kindes im Kindbett. Was macht der Vater? Logisch, er kann allein seine Kinderschar nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten (vor allem logistischer Natur) versorgen, also sucht er sich nach angemessener Zeit eine neue Ehefrau. Wenn diese Ehefrau dann ihrerseits auch noch Kinder mit in die Ehe bringt, dann haben wir im Grunde genau das, was wir heute als "Patchworkfamilie" bezeichnen. Der einzige Unterschied ist, dass wir heute nicht mehr sofort heiraten (müssen), weil sich das Gesellschaftsbild insoweit verändert hat, als man nicht mehr schief angesehen wird, wenn man nicht sofort den Weg zum Standesamt antritt.

Oder eine andere Konstellation: Ein Ehepaar nimmt, sei es aus ideellen oder finanziellen Gründen, ein Pflegekind bei sich auf, und zwar nicht nur kurzfristig, sondern über Jahre. Patchwork.

Wie behandelt man also solche Patchworkfamilien in der Familienforschung? 

Für mich ist das einer der Fälle, in denen es kein Richtig oder Falsch gibt, aber wenn man sich wirklich für die Lebensumstände seiner Vorfahren interessiert und nicht nur für die bloßen Geburts- und Sterbedaten, dann sollte man sich auch mit denjenigen auseinandersetzen, die im selben Haushalt gewohnt haben, mit denen der Vorfahr aber selbst nicht blutsverwandt war. Gut, diese Auffassung kann bei mir auch damit zusammenhängen, dass ich mit einem anderen Familienbegriff sozialiert worden bin als die meisten meiner Vorfahren, aber hauptsächlich geht es mir doch darum, ein möglichst vollständiges Bild vom Leben derjenigen Personen zu bekommen, die ich gerade erforsche. Nehmen wir an, im ersten Beispiel oben wäre meine direkte Vorfahrin eben jenes fünfte Kind, bei dessen Geburt die Mutter stirbt. Die Familie, in der sie aufwachsen wird, besteht aus ihrem Vater, der Stiefmutter und den Stiefgeschwistern. Wenn mit diesen Stiefgeschwistern etwas passiert, sei es Tod durch Unfall oder Krankheit, oder meinetwegen auch die Auswanderung über den großen Teich mit der Wahrscheinlichkeit, den anderen nie wieder zu sehen, würde meine Vorfahrin dann einfach bloß mit den Schultern zucken und sagen, "Ach, betrifft ja nicht mich, ist ja nur meine Stiefschwester..."? Ich glaube nicht.

Und das ist für mich das schlagende Argument, zumindest ansatzweise auch nach denjenigen zu suchen, die mit meinen Vorfahren unter einem Dach lebten.

Eine Patchworkdecke lebt davon, dass ihr Anblick nur durch die einzelnen Stücke vollständig wirkt. Insofern ist der Ausdruck "Patchwork" eigentlich ganz treffend - bei Familien ist es genauso.

Mittwoch, 27. September 2017

Eine ungewöhnliche Totgeburt

In den Wertheraner Sterberegistern des Jahres 1926 findet sich ein relativ merkwürdiger Eintrag:

"ein totes Kind, dessen vorherrschendes Geschlecht nicht festgestellt werden konnte"

Ich dachte zuerst, ich hätte mich verlesen. Hatte ich aber nicht. Aber dieser Eintrag gibt mir doch zu denken - wie kann das sein?



Die erste Möglichkeit wäre, dass es sich um ein Frühchen handelte. Das ist aber eher unwahrscheinlich, denn die äußeren Geschlechtsmerkmale lassen sich beim Fötus schon ab der 15. Schwangerschaftswoche erkennen, wie mir Wikipedia erklärt. Also noch vor dem Zeitpunkt, in dem eine Mutter die Bewegungen ihres Kindes spüren kann (Quelle: Wieder Wikipdia. Da kann ich nicht aus eigener Erfahrung sprechen). Das Kind müsste also noch vor der 15. Schwangerschaftswoche zur Welt gekommen sein.

Gegen diese Theorie spricht auch, dass erst seit ein paar Jahren totgeborene Kinder mit einem Gewicht unter 500 Gramm überhaupt ins Personenstandsregister eingetragen werden können. Seinerzeit galt zwar noch das "Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstands und die Eheschließung" von 1875 fort, aber auch da findet sich keine Regelung darüber, was denn nun genau unter dem Begriff "Geburt" zu verstehen ist. Fielen Frühgeburten auch darunter? Gab es damals auch Verwaltungsvorschriften, die so etwas geregelt hätten?

Noch ein Punkt spricht gegen die Frühchen-Theorie: Das Kind kam im Krankenhaus zur Welt. Wenn es sich um tatsächlich um eine Frühgeburt in einem so frühen Stadium handelte, dann wäre sie wahrscheinlich eher zu Hause passiert als im Krankenhaus.

Die zweite Möglichkeit: Das Kind hatte sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsmerkmale. 
Das ist die Theorie, die ich für plausibel halte. Damals hätte man wohl von "missgebildet" oder "Zwitter" gesprochen, heute heißt es ganz neutral "intersexuell". Intersexualität kommt übrigens öfter vor, als man meinen sollte; Schätzungen gehen in Deutschland von 0,1 % bis 0,2 % der Bevölkerung aus (genaue Zahlen gibt es wohl nicht). Demnach wäre ungefähr jeder Tausendste oder sogar jeder Fünfhundertste betroffen. Intersexualität muss auch nicht schon bei der Geburt auffallen, denn es gibt durchaus zum Beispiel Kinder, die mit eindeutig männlichen Geschlechtsteilen geboren werden, aber trotzdem auch Eierstöcke besitzen.

Ich nehme also an, dass man bei dem kleinen Würmchen hier auf den ersten Blick sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsteile erkennen konnte. Anders kann ich mir den Eintrag nicht wirklich erklären. Falls jemand eine andere Erklärung hat, dann kann er/sie auch gerne einen Kommentar hinterlassen.

Ach ja, eine Sache noch:

Normalerweise erwähne ich in meinen Posts hier ja auch immer die Personalien der Betroffenen. In diesem Fall hier kenne ich sie natürlich auch, verzichte aber darauf, sie hier öffentlich zu machen, und zwar aus einem ganz logischen Grund: Dieses Kind wurde 1926 geboren; es kann also durchaus sein, dass es noch jüngere Geschwister hat, die noch am Leben sind. Deshalb: Wer wissen will, um welche Familie es hier geht, der kann ja ganz einfach selbst nachgucken...

Mittwoch, 20. September 2017

Wir haben mal wieder die Wahl

... im Gegensatz zu vielen unserer Vorfahren! Wenn wir also am Sonntag unseren Umschlag in die Wahlurne werfen, um über die Zusammensetzung unseres Parlamentes zu bestimmen, dann ist das ein Moment, in dem wir etwas tun, das die meisten unserer Vorfahren sicherlich sehr gerne getan hätten.

(Für mich ist das schon Grund genug, tatsächlich meine Stimme abzugeben, obwohl ich auch diejenigen verstehe, die zum Beispiel den Wahlzettel großzügig durchstreichen und "alle nicht wählbar!" oder ähnliches draufschreiben. Mein Verständnis endet aber bei denen, die überhaupt nicht vom Sofa hochkommen und sich dann hinterher beschweren, dass sie ja keiner gefragt habe...)

Für uns Familienforscher ist das eine Gelegenheit, um mal kurz inne zu halten und sich zu fragen, ob wir denn wissen, was unsere Vorfahren denn so gewählt haben. Oder haben sie sich vielleicht sogar wählen lassen? Gehörten sie einer Partei an (die Frage der Parteizugehörigkeit sollte sich schließlich nicht auf die NSDAP beschränken)? Oder einer parteinahen Organisation (ich denke da zum Beispiel an Arbeitervereine)? Oder schwangen sie gerne Stammtischreden?

Ich gebe zu, dass es schwierig ist, hier Quellen zu finden, um die Annahmen, von denen wir vielleicht ausgehen, belegen zu können. Ganz unmöglich ist es aber nicht. Ich denke da zum Beispiel an Tagebücher, in denen jemand entweder seine eigene politische Haltung festgehalten oder die eines anderen kommentiert hat (à la "Vater hat mal wieder die KP gewählt, so wie immer"). Oder an Mitgliederlisten von Ortsvereinen.

Wer weiß, was da nicht noch alles in Archiven schlummert?

Frage an alle: Welche Erfahrungen habt Ihr schon mit solchen Quellen gemacht? Wo findet man was? 

Dienstag, 19. September 2017

Asche auf mein Haupt!

Mir ist gerade aufgefallen, dass ich hier seit beinahe zwei Monaten nichts mehr gepostet habe.

Könnte auch daran liegen, dass ich zwischendurch im Urlaub war, und zwar hier: 


Am Beech Hill Pond in Maine!

Es ist aber nicht so, dass wir die ganze Zeit nur am See herumgelungert hätten - in Maine gibt es auch das hier: 

Unser Besuch galt aber (leider?) nicht dem Maine State Archive, sondern dem Maine State Museum. Für alle, die mal zufällig nach Augusta kommen: Das Museum ist wirklich gut! Ich war in den letzten 22 Jahren drei Mal dort, und ich würde es mir (in ein paar Jahren) auch noch ein viertes Mal angucken!

Soviel also zur kreativen Pause. Die hatte ich auch dringend nötig... ;-) Aber jetzt wird man hier wieder öfter von mir hören! 

Sonntag, 16. Juli 2017

Die unvorhergesehenen Nebeneffekte der Familienforschung

Ich kann es selbst kaum glauben, aber mit der Familienforschung habe ich vor ungefähr 20 Jahren angefangen. Überflüssig zu sagen, dass ich bis heute noch nicht fertig geworden bin damit, denn sonst würde ich jetzt nicht hier sitzen und mir meine Gedanken darüber machen, welche Auswirkungen mir diese wunderbare Beschäftigung in diesen zwei Jahrzehnten beschert hat... und da kommt einiges zusammen. 

Ich bin geduldiger geworden. Wenn mir früher jemand gesagt hätte, dass ich heute stundenlang über schwer entzifferbaren Handschriften hocken können würde, nur um einen einzigen Kaufvertrag für ein Grundstück zu transkribieren, das heute in der Form überhaupt nicht mehr existiert, dann hätte ich ihn für leicht ... na sagen wir mal: "optimistisch" gehalten. 

Ich bin gelassener geworden. Wenn man ewig lange nach einem bestimmten Sterbeeintrag sucht, nur um ihn dann in einem Ort zu finden, an dem man am wenigsten damit gerechnet hat, dann weiß man, dass es einem mit den anderen "Baustellen" im Stammbaum auch genauso gehen kann. Manchmal werden tote Punkte auch durchaus wieder lebendig. Wenn ich heute nicht finde, was ich suche, dann vielleicht morgen. Oder übermorgen. Oder im nächsten Jahr. 

Ich bin geselliger geworden. Früher gehörte ich zu denen, die nur im stillen Kämmerlein für sich allein vor sich hin geforscht haben. Heute ist das anders. Ich habe kein Problem, mich einzubringen, und mich interessiert auch, was die Forscherkollegen so alles aus der Vergangenheit wieder ans Licht bringen. 

Ich interessiere mich für Geschichte. Was damals in der Schule nun so gar nicht der Fall war. Das lag wahrscheinlich am klassischen Frontalunterricht und auch daran, dass man mich in der fünften Klasse gleich mit der Dorischen Wanderung quälte. "333 - Issos Keilerei" ist zwar auch bei mir hängen geblieben, aber ich habe damals nicht verstanden, was denn nun die Geschichte als solche überhaupt mit mir zu tun haben könnte. Falls ich in den neun Jahren am Gymnasium etwas von der Franzosenzeit gehört haben sollte, dann ist es bei mir jedenfalls nicht hängen geblieben. Den Ersten und auch den Zweiten Weltkrieg haben wir mehr oder weniger auch nur gestreift, wenn ich mich nicht sehr irren sollte. Im Grunde habe ich in jeder Geschichtsstunde gedanklich abgeschaltet und sie über mich ergehen lassen (oder aber die Zeit konstruktiv genutzt und meine Englisch-Hausaufgaben erledigt). Das hat sich in den letzten zwanzig Jahren doch ziemlich geändert. Eigentlich hat sich mein Geschichtsverständnis, so traurig wie es ist, nicht mal ansatzweise in der Schule entwickelt, sondern rein aus der Neugier heraus, zu begreifen, was meinen Vorfahren damals so alles passiert ist und unter welchen Umständen sie lebten - und starben. Sprich: Wenn die Neugier erst mal geweckt ist... 

Ich bin unendlich dankbarer geworden. Das ist wahrscheinlich die größte Veränderung, die ich bei mir festgestellt habe. Und damit hätte ich selbst auch in dieser Form nicht wirklich gerechnet. 

Wenn ich mein Leben mit denen meiner Vorfahrinnen vergleiche, dann hatten viele von ihnen nicht den Luxus, den ich heute habe: Ich bin jetzt 43 Jahre alt, gewollt kinderlos, habe nicht nur die Schule abgeschlossen, sondern auch noch ein Studium zwei Staatsexamina drangehängt (und füttere mein Hirn auch heute noch gerne bei Fortbildungen), bin beruflich selbstständig und habe mich nach zwanzig Jahren nichtehelicher Lebensgemeinschaft dazu hinreißen lassen, mit dem Mann, den ich auch tatsächlich liebe, vor die Standesbeamtin zu treten (und das nicht, weil unsere Bauernhöfe so schön zusammen gepasst hätten oder sich unsere Eltern sonstige finanzielle oder gesellschaftliche Vorteile von dieser Allianz erhofft hätten). Das ist ein Lebenslauf, den ich in den Generationen vor mir nicht gefunden habe, schon alleine, weil die gesellschaftlichen Zwänge einfach anders waren als heute - früher hätte man mich als Schlampe oder Hure geächtet, wenn ich mit meinem Mann so lange zusammengelebt hätte, ohne ihn zu heiraten (es sei denn, es wäre gar nicht erst soweit gekommen, weil ich schon an der Schwindsucht oder im Kindbett gestorben wäre). Zwar habe ich immer noch stark daran zu knabbern, dass mein Vater im Februar gestorben ist, aber ich bin unendlich dankbar, dass ich ihn so lange bei mir haben durfte, und dass ich bis auf ihn und meine beiden Großeltern 1986 und 1991 von Todesfällen im engeren Familienkreis verschont worden bin. Ich bin heilfroh, dass meine Mutter noch da ist, sie mich mit ihrer Energie und ihrer pragmatischen Art auf Trab hält, ich sie fast jeden Tag sehe und sie mich unterstützt, wo sie nur kann. Ich musste, anders als viele meiner Vorfahrinnen, dank der medizinischen Entwicklung des letzten Jahrhunderts, auch zum Beispiel nicht hilflos mit ansehen, wie die Hälfte meiner zahlreichen  und schicksalsbedingten Kinder an irgendwelchen ansteckenden Krankheiten starb, und mich trotzdem zwingen, irgendwie weiterzumachen, weil die - noch - überlebende Hälfte ja nun auch noch versorgt werden wollte. Wenn ich heute Hunger habe, dann gehe ich zum Kühlschrank oder setze mich mal gerade ins Auto und fahre zum Supermarkt - ich laufe nicht Gefahr, zu verhungern, nur weil die Ernte mal schlecht gewesen ist. Jedem ist klar, dass ich eine eigene Meinung habe, ich sie auch haben darf, und dass ich im Zweifelsfall auch kein Problem habe, sie zu äußern. Das unterscheidet mich auch heute noch (schlimm genug) von vielen Frauen auf dieser Welt: Ich darf Ich sein.  

Laufe ich nun deswegen wie eine Heilige durch die Welt? Nee, ganz bestimmt nicht. Wer mich kennt, der weiß, dass ich erschreckend weit davon entfernt bin (und ich das teilweise auch noch mit diebischem Vergnügen genieße). Aber es schadet nichts, wenn man sich mal ab und zu vor Augen führt, wie gut es einem doch geht und mit welchen Luxusproblemen man sich eigentlich oft herumschlägt. Wenn ich mal einen Sch*-Tag habe (und die hatte ich im letzten Jahr zur Genüge), dann hilft's jedenfalls ein bisschen, um mich wieder einzunorden. 

Vielleicht wäre ich auch ohne meine Familienforschung zu dieser Einsicht gekommen - aber so kann ich es immerhin an praktischen Beispielen festmachen. Zusammengefasst könnte man auch sagen: Ahnenforschung erdet ungemein. 




Donnerstag, 15. Juni 2017

Die Meisterin der Fußnoten

Als ich mit "Werthers Gedächtnis" anfing, war das ein Projekt, an dem ich einfach nur für mich allein herumwerkelte. Hätte ich damals geahnt, was sich daraus entwickelt (und wie umfangreich es tatsächlich wird), dann hätte ich einige Kleinigkeiten anders gemacht...

Ein Beispiel sind die Fußnoten. Die Unmengen von Fußnoten, um genau zu sein. 

Wenn man so allein vor sich hinarbeitet, dann entwickelt man für sich sein eigenes System. Meins war, dass ich alle Daten, die ich in Kirchenbüchern fand, einfach nur eintrug, aber ohne Quelle. Mein Gedanke: "Wenn nichts dabei steht, steht's im Kirchenbuch. Finde ich bei Bedarf schon wieder. Und außerdem würden das ja viel zu viele Fußnoten..."

Irgendwann kam ich dann an den Punkt, an dem ich immer mehr "kirchenbuchfremde" Einträge einarbeitete (Stichwort: Standesamt), und an dem auch immer mehr "Abtrünnige" auftauchten, also Menschen, die zum Beispiel in Werther geboren waren und in Dornberg geheiratet hatten, nur um sich dann in der Bielefelder Innenstadt niederzulassen und dort zu sterben. Da ist es angebracht, auch die Dornberger und Bielefelder Quellen zu nennen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen Eintrag im Kirchenbuch handelt oder nicht.

Und was passierte dann?

Plötzlich störte es mich, dass ich nicht auch die Wertheraner Kirchenbücher als Quellen erfasst hatte. Wie aus heiterem Himmel.

Beim zweiten Nachdenken habe ich mich dann entschlossen, keine halben Sachen zu machen und die Quellen nachzuarbeiten. Und zwar nicht, um noch mehr Seiten voll zu bekommen. Sondern weil mit der Zeit auch einfach meine eigenen Ansprüche an dieses Projekt, das mal so simpel aus einer Laune heraus entstanden war, gestiegen sind (ich gehöre anscheinend zu denen, die mit dem Alter ehrgeiziger werden...). Ich will der Vollständigkeit so nahe kommen wie möglich und meine Arbeit damit aufwerten. Und wenn jemand anders mal Auszüge in die Hand bekommt, wird es für denjenigen auch einfacher.

Um die Anzahl der Fußnoten wenigstens etwas im Zaum zu halten, habe ich inzwischen auch da mein eigenes System gefunden: Werthers Gedächtnis ist ja nach Familien aufgebaut. Die Quellen der Geburten der Kinder finden sich also nur bei der Stammfamilie und nicht noch einmal dann, wenn sie in Werther auch noch heiraten. Quellen für Geburtseinträge finden sich bei Elternpaaren also nur dann, wenn sie selbst nicht in Werther geboren sind. Und wenn ein Kindelein in Werther getauft ist, dann ergibt sich ja schon aus der Quelle des Geburtseintrags (Kirchenbuch), dass in dem genannten Eintrag auch die Taufe mit dringestanden haben muss. Entsprechendes gilt bei Sterbeeinträgen mit den Beerdigungen.

Auf diese Weise bekommt man es hin, dass man nicht mit einem Stapel Papier endet, der hauptsächlich nur aus Fußnoten besteht.

(Ach ja, ich hatte auch schon mal kurz in Erwägung gezogen, aus sämtlichen Fußnoten Endnoten zu machen, aber das fand ich optisch nur noch grausamer. Und es machte alles aus meiner papieraffinen Sicht noch unübersichtlicher. Also hab' ich's gelassen. Basta.) 

Mir ist schon klar, dass ich mir damit im Nachhinein noch eine Menge Mehrarbeit eingefangen habe. Aber was soll's - mir macht es eben immer noch Spass, die alten Wertheraner zusammen zu puzzeln. 

Mittwoch, 24. Mai 2017

Wie hieß Wilhelm Gehring eigentlich wirklich?

Ich hatte mich neulich ja schon einmal über die zumindest teilweise ziemlich verquere Namensgebung in der Gehring-Familie ausgelassen.

Als ich jetzt wieder einmal über den Nebenregistern der standesamtlichen Geburtseinträge von Werther saß, habe ich mir noch einmal explizit den Jahrgang 1875 vorgenommen, um zu gucken, ob Augusts Bruder Friedrich Wilhelm (Rufname Wilhelm) tatsächlich ein Friedrich Wilhelm war (Standesamt Werther, 19/1875). Und tatsächlich: Er war es.

Wenigstens da stimmen Taufeintrag und Geburtseintrag überein. Immerhin!

Sonntag, 30. April 2017

Wie hieß August Gehring eigentlich wirklich?

Als ich damals mit meiner Forschung angefangen habe, war für mich klar: Einer meiner vier Uropas hieß August Gehring. Das war die Info, die ich von meinen Eltern bekommen hatte, denn August selbst konnte ich ja nicht mehr fragen: Er war 1965 gestorben; wir haben uns also um gute acht Jahre auf dieser Welt verpasst.

Ich hatte mir ja schon gedacht, dass es nicht beim "August" bleiben würde, denn die meisten Kinder, die im 19. Jahrhundert geboren wurden, bekamen ja noch einen oder auch zwei Vornamen zum eigentlichen Rufnamen noch dazu, oft die der Paten. Also wunderte ich mich nicht, als ich Augusts Taufeintrag fand (Kirchenbuch Werther, Nr. 111/1880): Sein voller Taufname lautete Friedrich Wilhelm August.

Soweit, so gut.

Dann wurde es etwas komplizierter: Mir fiel das Testament in die Hände, das er zusammen mit seiner Frau Lina (geb. Plessner) handschriftlich aufgesetzt hatte. Darin bezeichnete er sich selbst als "Friedrich Wilhelm genannt August". Ab dem Moment wurde ich dann doch ein bisschen stutzig. Wieso sollte man einen Friedrich Wilhelm ausgerechnet August nennen? Und wusste August überhaupt, dass er auf alle drei Namen getauft war? Hmmmm.

Der Vollständigkeit halber habe ich mir dann auch noch seinen standesamtlichen Geburtseintrag gezogen (Standesamt Werther, Nr. 177/1880). Und man kann sich vorstellen, dass ich baff erstaunt war, was denn nun sein dort eingetragener Vorname war:

Wilhelm

Schlicht und einfach Wilhelm. Kein Friedrich, und erst recht kein August.

Damit wäre diese Frage also geklärt: August hieß eigentlich Wilhelm, jedenfalls, wenn es nach der öffentlich-rechtlichen Registrierung seiner Geburt geht.

Was mir einfach nicht in den Kopf will: Es gab, als Augusts/Wilhelms Geburt beim Standesamt registriert wurde, schon einen Wilhelm in der Familie: Sein fünf Jahre älterer Bruder, auf den Namen "Friedrich Wilhelm" getauft, wurde in der Familie schlicht "Wilhelm" gerufen. Warum gibt man dann den jüngeren Sohn, den man August nennt, auch noch den - einzigen - Namen Wilhelm?

Es gibt Dinge, die man nicht verstehen muss... 

Der andere Wilhelm, also Augusts älterer Bruder, ist übrigens nach einem Abstecher über Wallenbrück auch wieder im Kirchspiel Werther gelandet, wenn auch ein paar Kilometer entfernt von seinem Bruder in Häger. Er hatte Henriette Tubbesing geheiratet und ließ sich, nachdem das erste Kind der beiden noch in Wallenbrück geboren worden war, als Bäcker in Theenhausen Nr. 35 nieder. Der eine Müller, der andere Bäcker - irgendwie passt das doch zusammen, oder?

Ein paar Lektionen habe ich aus dieser Geschichte gelernt:

1. Glaube nie das, was sogar offensichtlich erscheint, bis du es nicht selbst überprüft hast. 
2. Verschiedene Quellen können zu verschiedenen Ergebnissen führen, und diese Ergebnisse können trotzdem richtig sein. 
3. Ich habe allen Grund, meinen Eltern dankbar zu sein, dass sie mir nur einen Namen gegeben haben...





Mittwoch, 19. April 2017

Die Anmerkung zum Traueintrag des Johann Henrich Alemeyer

Hier ist der Traueintrag meines direkten Vorfahren Johann Henrich Alemeyer mit seiner ersten Ehefrau Cathrine Ilsabein Horstman aus dem Borgholzhausener Kirchenbuch von 1739.


Ich kann mir nicht helfen, aber es gelingt mir nicht, mir darauf einen Reim zu machen bzw. das Ganze in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen. Was ist das mit dem Herrn "Haubtman von Blankensee"? Und was hat das alles mit Johan Henrichs Trauung zu tun?

Wenn mich jemand aus meiner Betriebsblindheit erlösen kann - ich wäre dankbar dafür!

Samstag, 18. März 2017

Kleiner Bericht vom Westfälischen Genealogentag 2017

Was macht man an einem regnerischen Vorfrühlingstag? Ganz einfach: Man setzt sich morgens um kurz vor neun ins Auto und fährt nach Altenberge, zum inzwischen 7. Westfälischen Genealogentag. 

Für mich war es inzwischen der dritte, und ich kann jetzt schon sagen, dass ich 2019 auch wieder dabei sein werde, wenn mir das Leben nicht dazwischen kommt.

Ich parkte also wieder in derselben Anliegerstraße wie beim letzten Mal (die Parkgewohnheiten der Familienforscher und die damit zusammenhängenden Parkplatzprobleme haben sich in den letzten beiden Jahren nicht wesentlich verbessert) und begann den Genealogentag mit einem kleinen Rundgang durch die Halle. Fast hätte ich mich dort schon festgequatscht - inzwischen kennt man sich ja untereinander, und da laufen einem halt auch schon um zwanzig nach 9 die ersten bekannten Menschen über den Weg -, aber ich habe es gerade noch vermeiden können und war dementsprechend punktgenau um 9.29 Uhr nebenan in der Ludgeri-Schule zum ersten Vortrag des Tages: Gerd Dethlefs sprach zum Thema "Währungsreformen - Geld und Geldwert im 18. und 19. Jahrhundert".

Das ist ein Thema, das bei mir immer mal wieder am Rande vorkommt und in dem ich ehrlich gesagt nicht sonderlich belesen bin. Inzwischen bin ich aber ein bisschen schlauer als vorher; insoweit hat sich der Vortrag für mich also definitiv gelohnt. Nur schwirrte mir hinterher der Kopf von den ganzen Umrechnungen in Taler, Mariengroschen, Mark, Heller und Pfennig und die ganzen anderen Währungseinheiten, von denen wir heute eigentlich schon beinahe vergessen haben, dass es sie überhaupt mal gab. Was für ein Kuddelmuddel! Ich kam aus dem Vortrag heraus und schwor mir, nie wieder über den Euro zu lästern - uns ist gar nicht klar, wie sehr er die Dinge im Alltag vereinfacht...

Danach nahm ich mir Zeit für eine größere Runde durch die Sporthalle. Meine Umhängetasche füllte sich langsam aber sicher mit Literatur (selbst schuld, wer kein Bargeld mitnimmt, denn irgendwas findet man immer) und Giveaways in Form von Broschüren, Postkarten, Lesezeichen, Kugelschreibern und vor allem Bleistiften. Von letzteren kann man ja in bestimmten Archiven nie genug dabei haben.

Aber eigentlich fährt man ja nicht deswegen zum Genealogentag, sondern um lauter nette Menschen zu treffen, die genauso bescheuert sind wie man selbst, weil man sich stundenlang über tote Verwandte unterhalten kann, ohne dass es langweilig wird. Und am besten geht das natürlich bei einem Pott Kaffee (und in meinem Fall auch bei einem Stück Kirschkuchen) in der Cafeteria. Außerdem ist man froh, wenn man die inzwischen ziemlich schwere Tasche auch mal absetzen kann...

Eigentlich hatte ich ja vor, mich dann wieder zu meinem Auto und auf direktem Wege wieder nach Hause zu begeben, aber dann habe ich mich doch noch ganz spontan umentschieden und mir den Vortrag von Marcus Weidner über die Digitale Westfälische Urkundendatenbank (DWUD) angehört. Es passte vom Zeitpunkt her einfach zu gut! Ich fürchte, ich werde in der nächsten Zeit so einige Stunden online beim LWL verbringen - mal gucken, welche Zufallsfunde da noch auf mich warten!
Blöd war nur, dass ich - obwohl ich ja sehr am Thema interessiert war -, die letzten 20 Minuten gegen das Einschlafen kämpfen musste. Das lag aber weder am Vortrag noch am Vortragenden, sondern wohl eher an der sich nach dem Stück Kuchen einstellenden Trägheit und der inzwischen ziemlich stickigen Luft im Vortragsraum. Ich hätte wohl noch einen Kaffee mehr trinken sollen.

Dann war der Genealogentag für mich aber tatsächlich zu Ende. Bis zum nächsten Mal in Altenberge!






Donnerstag, 2. März 2017

Der schlimmste Eintrag in meinem Stammbaum

Normalerweise freut man sich ja über jeden Eintrag im Stammbaum. Heute ist das bei mir anders.

Am letzten Donnerstag, also heute vor einer Woche, ist mein Vater gestorben. Gestern haben wir ihn beerdigt. Vor diesem Eintrag im Stammbaum hatte ich seit sieben Monaten Angst. Und nun sehe ich ihn da stehen und denke, "Das kann doch überhaupt gar nicht wahr sein", obwohl ich ja dabei war. Keine weitere Primärquelle notwendig, jedenfalls nicht für mich.

Ohne jetzt hier ins Detail gehen zu wollen: Die letzten Wochen waren nicht einfach, für keinen von uns. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass ich nicht wirklich den Kopf frei hatte zum Ahnenforschen, geschweige denn zum Bloggen. 

Seht's mir nach.

Im Moment bin ich in so einer Phase, in der ich mit Verwunderung registriere, dass sich die Welt trotzdem weiterdreht. Gesackt ist das alles noch längst nicht.

Trotzdem - es muss irgendwie weitergehen. Und es wird auch weitergehen. Auch hier im Blog. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, wie schnell ich wieder in meinen Turnus komme. Aber andererseits kann Ahnenforschung vielleicht auch eine schöne Ablenkung sein...?


Donnerstag, 12. Januar 2017

Die Sache mit der Beschneidung...

... betrifft mich jetzt zwar nicht direkt, interessiert mich aus irgendeinem Grunde aber trotzdem. Das ist wahrscheinlich die Eigenschaft, die man bei allen Forschern in überproportionalem Maße findet - Neugier. 

Als ich die Judenregister von Werther bzw. aus dem Altkreis Halle durchguckte, fiel mir auf, dass bis 1846 in den allermeisten Fällen nicht nur das Datum der Beschneidung (Brit Mila) genannt wurde, sondern auch derjenige, der dieses Ritual durchgeführt hat. In der Zeit von 1815 bis 1821, als Pastor Gieseler das Register geführt hat, erwähnt er zwar nur in einem einzigen Fall, wer die Beschneidung vorgenommen hatte ("Rabbi Moses"), aber danach, im kreisweiten Register, steht es bei jedem Jungen explizit dabei.

Und ich frage mich, was diese Information überhaupt in behördlichen Akten zu suchen hatte. Ist ja schließlich ein religiöser und kein staatlicher Akt.

Trotzdem: Wenn man diese Informationen schon mal hat, dann kann man sie ja auch nutzen. Ich habe sie also mit in Werthers Gedächtnis eingearbeitet. Der Vollständigkeit halber. Die Taufdaten der anderen Kinder habe ich ja auch erfasst.

Und weil ich gerade schon einmal dabei war, habe ich mir auch noch eine Liste der "Beschneider" angelegt. Der Grund dafür war eigentlich, dass mir der Name "Selig Werthauer" so oft aufgefallen war - und ja, bei 22 von 46 Beschneidungen, bei denen der Name des Mohel (das ist der terminus technicus) aufgeführt ist, war es Selig Werthauer, der die Prozedur durchführte:

Name Ort Anzahl Jahre
Arensberg, Julius Lage 1 1839
Baumann, Peritz Oerlinghausen, später Spenge 2 1840-1845
Boas, Bendix Lübbecke 2 1825-1830
Boas, Michel Lübbecke 1 1826
"Rabbi Moses"

1 1818
Paradies, Abraham Lage 2 1825-1827
Paradies, Isaac Lage, ab 1827 Oerlinghausen 5 1824-1831
Paradies, Samson Oerlinghausen 4 1832-1844
Posener, Joachim Bielefeld 3 1830-1846
Weinberg, Abraham Aron Westernkotten 5 1815-1828
Werthauer, Selig Herford 22 1824-1846

Selig Werthauer dürfte also ein ziemlich beschäftigter Mann gewesen sein, denn wenn ich mir die Register so angucke, dann war er nicht nur in Werther aktiv. (Und ich nehme mal an, dass die drei Herren Paradies miteinander verwandt waren.)

Soweit ich weiß, durfte ein Mohel für seine Tätigkeit als solche kein Geld annehmen, sondern nur Spesen für seine Aufwendungen. Was mich im übrigen auch zu der Frage bringt, wie vor allem Herr Werthauer seine Logistik bewältigt hat.

Ein Neugeborener musste am Abend seines 8. Tages beschnitten werden (es sei denn, das Kind war zu schwach), also war es wichtig, dass der Mohel genau dann an Ort und Stelle war. Wie genau kriegte man das hin, vor allem, wenn ein Kind ein paar Tage früher auf die Welt kam als gedacht? Heute braucht man mit dem Auto eine knappe halbe Stunde für den Weg von Herford nach Werther, aber damals war das im Grunde eine Tagesfahrt. Sagte man vorher Bescheid, so in dem Sinne, "Meine Frau bekommt wahrscheinlich in den nächsten Tagen ein Kind, und falls es ein Junge wird, hätten wir Sie gerne als Mohel bei der Brit Mila dabei..."? 

Und überhaupt - wie wurde die Brit Mila gehandhabt? Ich meine jetzt nicht zwingend den Schnitt an sich, aber in welchem Raum wurde sie durchgeführt? Wieviele Leute waren dabei? Wer war dabei? Wurde gefeiert, und wenn ja, wie? Was passierte, wenn sich die Wunde entzündete - ging man dann zum - evangelischen - Doktor?

Falls jemand Ahnung von diesen Dingen hat: Hinterlassen Sie mir einen Kommentar - ich bin neugierig!


Sonntag, 8. Januar 2017

Die Geburten in der Stadt Werther von 1815 bis 1846

Wenn ich schon einmal dabei bin, die jüdischen Wertheraner in Werthers Gedächtnis einzutragen, dann ist das eine schöne Gelegenheit, auch mal ein bisschen Statistik zu betreiben. Da bietet es sich doch an, mit den Geburten anzufangen...

Zwischen 1815 und 1846 wurden in Werther insgesamt 104 jüdische Kinder geboren. Es ist irgendwie schön, die Statistik genau aufgehen zu sehen, denn es sind genau 52 Jungen und 52 Mädchen:

Jahr Jungen Mädchen gesamt
1815
1
1
2
1816
0
1
1
1817
1
2
3
1818
1
2
3
1819
0
2
2
1820
1
3
4
1821
0
0
0
1822
2
0
2
1823
0
1
1
1824
3
5
8
1825
4
0
4
1826
3
3
6
1827
4
3
7
1828
2
0
2
1829
2
2
4
1830
2
2
4
1831
1
0
1
1832
3
0
3
1833
1
3
4
1834
3
1
4
1835
2
3
5
1836
2
2
4
1837
1
2
3
1838
1
0
1
1839
3
3
6
1840
1
2
3
1841
2
1
3
1842
1
4
5
1843
0
0
0
1844
2
2
4
1845
1
2
3
1846
2
0
2


52
52
104

Alle jüdischen Familien, die in dieser Zeit Zuwachs bekommen haben, lebten in der Wertheraner Innenstadt. Ich konnte keine Familie in den Landgemeinden finden, obwohl es zum Beispiel auch Viehhändler gab und man einen solchen ja durchaus auch nicht zwingend mitten in der Stadt vermuten müsste. Aber weil man sich in der Stadtgemeinde "knubbelte", erschien es mir sinnvoll, doch mal zu gucken, wie viele evangelische Kinder denn in demselben Zeitraum dort geboren worden sind:

Jahr Jungen Mädchen gesamt
1815
34
20
54
1816
28
27
55
1817
28
20
48
1818
20
25
45
1819
34
35
69
1820
31
26
57
1821
35
38
73
1822
27
32
59
1823
33
37
70
1824
40
27
67
1825
32
35
67
1826
39
27
66
1827
29
31
60
1828
39
26
65
1829
24
37
61
1830
29
29
58
1831
23
21
44
1832
30
29
59
1833
39
39
78
1834
41
32
73
1835
34
33
77
1836
36
45
81
1837
36
37
73
1838
35
38
73
1839
40
38
78
1840
40
38
78
1841
45
39
84
1842
41
41
82
1843
38
28
66
1844
30
37
67
1845
38
35
73
1846
42
31
73


1.100
1.033
2.133

2.133 zu 104. Grob gesprochen kann man also sagen, dass ungefähr 20 Mal soviele evangelische wie jüdische Babies geboren wurden, selbst wenn man dabei berücksichtigt, dass in den evangelischen Statistiken auch Totgeburten enthalten sind, die ich in den Judenregistern (ein fürchterliches Wort, oder?) nicht gefunden habe. Wenn man die Landgemeinden noch mit dazu nimmt, dann kann man wahrscheinlich noch einmal ungefähr 4.500 evangelische Kinder in diesem Zeitraum dazurechnen (da muss ich wohl noch ein bisschen Statistik betreiben, um diese Zahl zu verifizieren).

Schade, dass ich keine katholischen Zahlen habe, die ich der Vollständigkeit halber dagegen halten kann, aber ich schaffe es eben nicht so oft nach Paderborn ins Erzbistumsarchiv, und wenn, dann gucke ich eher nach meinen eigenen katholischen Linien. Wenn die A33 endlich mal fertig gebaut ist, wird sich das aber vielleicht ändern...

Jedenfalls kann man sich ungefähr vorstellen, wie sehr sich diese paar Familien in der Minderheit gefühlt haben müssen... aber schlug sich das im alltäglichen Leben auch nieder, und wenn ja, wie? Gut, man ging in die Synagoge, während die anderen in die Kirche gingen (wenn sie es denn taten), aber ansonsten? Man gab den Kindern traditionell andere Namen (ich habe, wie man sich denken kann, keine jüdische Ilsabein gefunden und keinen evangelischen Moses), und die Jungs wurden kurz nach ihrer Geburt eben beschnitten. Für den alltäglichen Umgang miteinander scheint mir vor allem letzteres doch ziemlich irrelevant.

Was waren also die anderen Unterschiede, und was waren die Gemeinsamkeiten? Das ist das, was mich interessiert.