Sonntag, 28. September 2014

Michaelis

Morgen ist der 29. September - der Michaelistag. Einige unserer Vorfahren werden wegen ihm wohl schlaflose Nächte gehabt haben, denn er galt gemeinhin als Zahltag, an dem man seine Geldkatze griff und sich auf den Weg in die Stadt machte, um zumindest einen Teil seiner Schulden (inklusive Zinsen natürlich) bei  seinem Gläubiger abzustottern.
Man stelle sich mal vor, dass jeder, der seinen Dispo angetastet hat, sich an ein- und demselben Tag zur Bank begibt, um sein Konto wieder auf Null zu bringen. Heute hätten wir da schon ein ernsthaftes Parkplatzproblem. Trotzdem ist die Situation vergleichbar.
Und wenn man schon mal in der Stadt war, so wie alle anderen auch, dann konnte man ja auch ein wenig gesellig sein, nicht wahr? Sogar die Ostwestfalen können feiern, wenn sie wollen, obwohl wir ja nun nicht gerade als Feierbiester gelten. In manchen Städten hat sich tatsächlich noch etwas von diesem Brauch erhalten: In Gütersloh zum Beispiel läuft gerade die Michaeliswoche mit diversen Veranstaltungen einschließlich einer nicht zu unterschätzenden Kirmes mit noch weniger zu unterschätzenden Fahrgeschäften. So oder so: Nach Michaelis war das Geld immer weniger als vorher...
Michaelis war damit aber auch quasi der Beginn des neuen Geschäftsjahres. Viele Heuerlingsverträge begannen deshalb auch an diesem Tag, und ich habe mir vorgenommen, bei Gelegenheit mal meine Heuerlingsfamilien zu durchforsten, ob ich die neue Wohn- und Arbeitsstelle Ende September nachvollziehen kann. Schade nur, dass die Heuerlingsverträge in den allermeisten Fällen nicht schriftlich, sondern "nur" mündlich abgeschlossen wurden... die genauen Modalitäten würden mich doch wirklich mal interessieren!

Samstag, 27. September 2014

Johann Peter Gehring

Nur weil man sein ganzes Leben lang an ein und demselben Ort gewohnt hat, bedeutet das noch lange nicht, dass das Leben langweilig gewesen sein muss. Ein gutes Beispiel dafür ist mein direkter Vorfahr Johann Peter Gehring.
Er wurde am 24.07.1761 in Bleeke 33 geboren; seine Eltern waren Peter Henrich Gehring und Cathrine Margarethe Walkenhorst. Weil er deren jüngster Sohn war, war er es, der den Hof weiterführte, wenn er auch dazu noch ein Handwerk erlernte: In den Kirchenbüchern finde ich ihn als Neuwöhner und Rademacher, einmal taucht er auch als Spinnradmacher respektive als Drechsler auf. Vernünftig, seine Existenz auf zwei Standbeine zu stellen.
Sein Rufname war Peter, was ich daraus schließe, dass der "Johann" in diversen Kirchenbucheinträgen, die seine Kinder betreffen, unter den Tisch gefallen ist.
Am 12.11.1784, also mit 23, heiratete er Catharine Ilsabein Temming aus Rotingdorf 8, also ebenfalls aus dem Kirchspiel Werther. Sie war nur ein paar Monate älter als er.
Ziemlich genau ein Jahr später, am 16.11.1785 bekam das junge Paar seinen ersten Sohn: Johann Hermann. Das junge Familienglück dauerte aber nicht lange, denn der Lütte starb schon im März 1786. Er wurde am 24.03.1786 auf dem Wertheraner Friedhof begraben.
Wieder ungefähr ein Jahr danach, am 31.03.1787, brachte Catharine Ilsabein einen totgeborenen Sohn zur Welt.
Der nächste Sohn folgte am 15.06.1787. Er wurde nur ein paar Stunden alt.
Am 09.10.1789 brachte Catharine Ilsabein wieder einen totgeborenen Sohn zur Welt.
Fassen wir es einmal kurz zusammen: Peter und Catharine Ilsabein waren gerade einmal 28 Jahre alt und hatten schon vier Kinder begraben.
Ich gehe mal nicht davon aus, dass die beiden sich in dieser Situation in einem kleinen Dorf in Ostwestfalen dafür interessiert haben, dass in Frankreich gerade die Revolution tobte. Trotzdem würden die Franzosen ihr Leben später nicht unerheblich beeinflussen.
Zunächst kam aber das nächste Kind zur Welt: Peter Henrich. Er wurde am 02.10.1790 in Werther getauft. Ich habe noch keine Ahnung, was mit ihm geschah, er muss aber vor 1815 gestorben sein.
Am 21.01.1792 schlug das Schicksal noch einmal zu: Die erste - und auch einzige - Tochter war ebenfalls eine Totgeburt.
Drei weitere Jungs folgten: Zunächst kamen Johann Peter (geb. am 04.02.1793) und Peter Heinrich (geb. am 28.05.1794). Peter Heinrich blieb in der Nähe seiner Eltern, er heiratete Anne Marie Quest, die Anerbin des Hofes Schröttinghausen 41.
Als letztes, mit einem Abstand von immerhin sechs Jahren, kam dann Johann Heinrich zur Welt, und zwar am 20.07.1800. Er sollte eines Tages die Mühle bauen, von deren Flügel er dann schließlich auch erschlagen wurde. Auch hier war keineswegs selbstverständlich, dass das Kind überhaupt überleben würde, denn im zweiten Halbjahr 1800 wurde das Kirchspiel Werther zuerst von den Pocken heimgesucht, bevor dann im September direkt im Anschluss auch noch die Ruhr herumging.
Weshalb zwischen Peter Heinrich und Johann Heinrich die sechs Jahre lagen, kann ich nicht genau sagen. Dieser Abstand ist aber schon auffällig, wenn man ihn mit denen der anderen Kinder vergleicht, denn zwischen den älteren lagen jeweils keine zwei Jahre. Bei der Vorgeschichte kann man annehmen, dass auch medizinische Faktoren eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben, denn eine derart hohe Kindersterblichkeit war auch in Werther zu dieser Zeit nicht üblich. Es würde mich deshalb auch nicht wundern, wenn Catharine Ilsabein in diesen sechs Jahren ein paar Fehlgeburten gehabt hätte, bei denen die Schwangerschaft noch nicht so weit fortgeschritten war, als dass die Kinder als Totgeburt gewertet wurden.
Wie auch immer - mit dem Jahr 1800 war die Familienplanung augenscheinlich beendet. Peter und Catharine Ilsabein waren beide 39 Jahre alt.
Ein paar Jahre später, 1807, war dann Napoleon auf dem Vormarsch, mit der Folge, dass am 01.04.1808 auch in Werther die preußische Verwaltung aufgelöst wurde und man fortan zum "Königreich Westfalen" gehörte, mit Napoleons Bruder Jerome als König. Die Wertheraner waren schon zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich erfreut. Es kam dann aber noch schlimmer: Im Dezember 1810 verfügte Napoleon per Dekret, dass die nordwestlichen Teile des Königreichs Westfalen noch dem Kaiserreich Frankreich zugeschlagen werden sollten. So geschah es dann auch. Werther wurde geteilt (der Schwarzbach diente als Grenze), und Peter und seine Familie waren plötzlich Franzosen!
Man muss sich also nicht einmal von seinem Grundstück fortbewegen, um eine neue Staatsangehörigkeit zu erhalten. Peter passierte das ganze gleich drei Mal: Aus dem Preußen wurde ein Untertan erst im Königreich Westfalen und dann im Kaiserreich Frankreich. Als Napoleon dann 1813 in der Völkerschlacht bei Leipzig unterlag, hatte das auch Auswirkungen auf Werther: Es wurde wieder vereint und auch wieder preußisch.
Nachdem sich die politische Lage in Europa wieder etwas beruhigt hatte, traf Peter dann auch prompt der nächste Schicksalsschlag: Am 31.08.1815 starb seine Frau an "hitzigem Brustfieber".
Knapp ein Jahr später, am 16.08.1816, war Peter dann wieder verheiratet, und zwar mit der drei Jahre älteren Marie Ilsabein Tappmeier, der Witwe Meyer zu Helligen aus Wallenbrück. Mit ihr an seiner Seite erlebte er dann auch die Hochzeiten seiner Söhne in den Jahren 1818 und 1827.
Am 29.12.1832 starb Peter mittags an Altersschwäche. Er hinterließ seine Witwe und zwei Söhne. Am 1. Januar 1833 wurde er in Werther beerdigt.